
22 Feb. GAMP5 2nd Edition Neuerungen und Changes
Die Second Edition der Guideline GAMP5: A Risk-Based Approach to Compliant GxP Computerized Systems wurde im Juni 2022 veröffentlicht. Der übergeordnete Ansatz und die Schlüsselkonzepte des Leitfadens sind, wie in einer zweiten Version nicht anders zu erwarten, unverändert geblieben. Dennoch wurden viele technische Inhalte überarbeitete oder neu erstellt.
Interessanterweise werden in der Guideline selbst, in der Sektion der neuen und überarbeitet Materialen, nur die Anhänge hervorgehoben. In der Guideline wurde im Anschluss an den Guidance-Teil in den Managementanhängen und den Entwicklungsanhängen neue Kapitel hinzugefügt (M11, M12 D8, D9, D10, D11). Diese behandeln Themen wie Machine Learning sowie Artificial Intelligence, Cloud Computing, Blockchain und Open-Source Software. Updates finden sich in den Anhängen (D1, S2), die den Entwicklungsteil und dem Special-Interest-Teil betreffen. Irrelevant gewordenen Anhänge (D2, O7 und S5) wurden entfernt.
Umgestaltung und Innovation im Hauptteil
Beim genaueren hinschauen sind aber auch im Hauptteil des der Guideline Neuerungen und Änderungen zu entdecken, auch wenn der übergeordnete Ansatz, die Patientensicherheit, Produktqualität und Datenintegrität bei GxP-Computersystemen sicherzustellen, gleichgeblieben ist. Die wesentlichen Neuerungen und Änderungen sind:
- die Analyse des Beitrags vom GAMP5-Leifaden zur Pharma 4.0
- das Hinzufügen von Referenzen zu anderen Leitfäden bezüglich Themen wie Dataintegrität
- die mehrfachen expliziten Hinweise, dass der Ansatz nicht nur die klassische lineare Methode der Validierung unterstützt, sondern auch iterative und inkrementale Methoden (Agile)
- die besondere Betonung, dass das kritische Denken mit einem risikobasierten
- Ansatz von äußerster Bedeutung ist
- der Fokus auf das Wissensmanagement
- die Empfehlung der Anwendung von Tools und Programmen, um Qualitätsmaßnahmen zu bewerten und zu verbessern (Advancing Pharmaceutical Quality)
Pharma 4.0
Der Ansatz Pharma 4.0 soll dazu beitragen für Patienten das volle Potential der Digitalisierung zu nutzen und Innovationen zu schaffen, und zwar im Einklang mit den regulatorischen Anforderungen der Pharmaindustrie. Prinzipiell ist dies als Äquivalent zu Industry 4.0 zu verstehen. Der Übergang zur Pharma 4.0 soll durch die notwendigen Ressourcen, ein ganzheitliches Informationssystem, die entsprechenden Organisationen sowie Prozesse und durch eine angepasste Kultur erreicht werden. Mit einer neuen Abbildung (Gamp 5 2nd Edition Figure 1.1, Seite 10) verdeutlicht die Second Edition, dass der GAMP5 zusammen mit anderen Good Practice Guides, dem Digitalen Reifegrade und der „Datenintegrität by Design“ die Rahmenbedingung liefert für den Übergang zur Pharma 4.0. Unsere Darstellung zur Pharma 4.0 finden Sie in Abbildung 1.

Abbildung 1: Faktoren für den Übergang zur Pharma 4.0. Für den Übergang müssen ganzheitliche Prozesse erstellt werden und Computersystem in diese integrieren werden. Wichtige Ressourcen, wie funktionierende Teams zusammengesetzt aus gebildeten Mitarbeiten, müssen optimal mit der digitalen Umgebung interagieren. Informationssysteme müssen für eine ganzheitlich Datenerfassung, Verwaltung und Verarbeitung ausgelegt werden und manuelle Datenerfassung soll vermiedene werden. Die Kultur im Unternehmen muss transparent sein und Vertrauen in die Mitarbeiter und die Systeme bestehen. Die Rahmenbedingung für den Übergang zu Pharma 4.0 bilden der bestehenden Reifegrade der Digitalisierung, die Data Governance des Unternehmens und Leitlinien wie der GAMP5, die als Wegweiser dienen.
Referenzen zu anderen Leitfäden
Um die Bedeutung wichtiger Themen hervorzuheben, wird in Referenzen auf andere Guidelines und deren Inhalte verwiesen, z.B. der Verweis bei Thema Archivierung (4.3.8.2) auf die Leitlinie „GAMP Guide: Records and Data Integrity“.
Dies wird besonders deutlich durch die überarbeitete Darstellung der GAMP-Dokumentationsstruktur (Gamp 5 2nd Edition Figure 1.2, Seite 14). Hier wird die Gleichstellung der
Dokumentationsstruktur des GAMP5 Guides mit dem der GAMP RDI Good Practice Guides in den Vordergrund gestellt.
Auch finden sich in der neuen Ausgabe Zitate aus der ICH Q10 (2.1.1).
Agile Ansätze
Bei den Spezifikations- und Verifikationsansätzen wird expliziert darauf hingewiesen, dass auch iterative / inkrementelle, also agile Methoden, unterstützt werden. Neben der Abbildung für einen linieren Ansatz enthält die Second Edition nun auch eine Abbildung zu iterativen und inkrementellen Ansätzen, die ebenfalls die Einhaltung der Vorschriften und die Eignung für den vorgesehenen Verwendungszweck sicherstellen können (Gamp 5 2nd Edition Figure 3.4, Seite 25). Dabei wurde das typische V-model in einen zirkularen Prozess umgewandelt. Unsere Veranschaulichung zum agilen Ansatz finden Sie in Abbildung 2.

Abbildung 2: Erfüllen des vorgesehen Nutzen und Behördenkonformität mit dem Agiler Ansatz (iterativ und inkremental). Der agile Ansatz ist wie eine spirale zu verstehen. Nach Planung, Spezifizierung, Konfiguration und/oder Kodierung, Verifizierung und Bericht steht ein Teil des computergestützten Systems zur Nutzung bereit. Im nächsten Kreislauf, der parallel oder darauffolgend startet wir der nächste Baustein freigegeben.
Bedeutung des Kritisches Denkens
Unter dem Hauptkapitel Lebenszyklusansatz ist ein neuer Abschnitt mit dem Titel „Kritisches Denken während des Lebenszyklus“ (3.4) hinzugekommen, um die Bedeutung des kritischen Denkens hervorzuheben. Die Basis für kritisches Denken ist das Wissen über das angewandte System und die Kenntnis der Geschäftsprozesse. Kritisches Denken ermöglicht die Einschätzung wie Aktivitäten eingesetzt und angepasst (skaliert) werden müssen.
Es unterstützt die Entscheidungsfindung im Umgang mit einem computergestützten System mit dem Zweck Patientensicherheit, Qualität und Datenintegrität zu gewährleisten.
Beim kritischen Denken sollte immer ein risikobasierter Ansatz angewandt werden, das computergestützte System sollte für den vorgesehene Nutzung geeignet sein und es sollten zusätzliche vielschichtige Absicherungen im gesamten Prozess berücksichtigt werden.
Diese drei Aspekte sollten nicht isoliert voneinander angewandt werden, sondern kombiniert werden, so dass dem Unternehmen der größtmögliche Vorteil entsteht. Dadurch wird in Summe auch der Arbeitsaufwand reduziert und die Dokumentation minimiert.
Wissensmanagement
Dem Dokumentationsmanagement (4.2.5.5) im Kapitel Lebenszyklusphasen wurde der Aspekt des Wissensmanagements hinzugefügt. Damit wird die unterschätze Möglichkeit hervorgehoben Fachwissen und kontextspezifisches Wissen, welches durch persönlich Erfahrung erworben wurden, festzuhalten, weitergeben zu können und somit Mehrwert daraus zu generieren. Wissensmanagement wird in der Second Edition desweiten an vielen Stellen erwähnt, so z.B. bei der Systemübergabe, beim Bericht und der Freigabe und unter dem Kapitel „Effiziente Verbesserungen“.
Die Verwendung von Tools und Software für Qualitätsmaßnahmen
Der Einleitungstext zu den Lebenszyklusphasen (4.) wurde erweitert. Neben den Hinweis, dass der Ansatz auch mit agilen Methoden kompatibel ist, findet sich hier die neue wichtige Aussage, dass wenn in dem Leitfaden Dokumentationen referenziert und Deliverables gefordert werden, damit nicht immer die Notwendigkeit von klassischen Dokumenten gemeint ist. Unter klassischen Dokumenten sind zum Beispiel Papierdokumente zu verstehen oder ein Dokument im PDF-Format. Stattdessen wird zur Aufbewahrung von Aufzeichnungen und Informationen in geeigneten und effektiven Softwaretools ermutigt. In den Unterpunkten des Lebenszyklusansatzes lässt sich diese Forderung nach der Anwendung solcher Softwaretools auch für konkrete Aktivitäten finden, wie zum Beispiel für das Störungs- und Problemmanagement (4.3.3.1.). In diesem Abschnitt werden die Vorteile solcher Softwaretools noch einmal verdeutlicht. Sie können neben der Dokumentation auch den Prozess unterstützen, bei der Planung von Maßnahmen helfen und eine gute Verfolgbarkeit ermöglichen. Alles in allem sollte dies Motivation genug sein, um über die Anwendung agiler Tools nachzudenken.
Sie haben nun einen Überblick über die wesentlichen Veränderungen / Neurungen im Hauptteil des Gamp 5 2nd Edition erhalten. Wenn Sie die Ausführung hilfreich und interessant fanden und wir ihr Interesse geweckt haben, dann freuen Sie sich auf unseren neue LinkedIn Inforeihe (LINK). Hier stellen wir Ihnen die wichtigsten Einzelheiten zu den geänderten und neuen Anhängen des GAMP Second Edition vor. Viel Spaß beim Lesen!
Autorin: Dr. Anna Göhring